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Kleines mit oft großer Wirkung

Eine Therapieeinheit mit einer an Demenz erkrankten Patientin

Ich hole Frau S. aus dem Aufenthaltsraum ihres Pflegewohnheimes ab, wo sie in ihrem Rollstuhl sitzt und eine kleine Puppe in ihrer Hand begutachtet. Sie begrüßt mich mit einem Lächeln und nickt mir freundlich zu. Was sie zu mir sagt, ist leider nicht mehr verständlich. Auch weiß ich nicht, ob sie mich wiedererkennt.

Frau S. ist aufgrund ihrer fortgeschrittenen Demenzerkrankung nicht mehr in der Lage zu laufen, ihre kognitiven Fähigkeiten sind stark eingeschränkt. Sie weiß nicht mehr, dass ein Löffel zum Essen da ist und kann ihn dazu nicht mehr benutzen. Wohl aber weiß sie, dass ein Handtuch gefaltet und glatt gestrichen werden muss und tut dies auch, sobald sie eines in ihre stets aktiven Hände bekommt. Und genau diese Art von Bewegungen, Wahrnehmungen, Gedanken sind es, die in der Ergotherapie aktiviert werden, um erhalten zu bleiben und weiteres Vergessen und Verlernen zu verlangsamen.

Als Einstieg in das 30-minütige Hirnleistungstraining lege ich eine CD mit alten Schlagern ein und zu den Klängen von „In einer kleinen Konditorei“ tanzen wir nun sitzend im Takt. Frau S. bewegt ihre Arme selbständig zur Musik und sie beschreibt dabei ein wesentlich größeres Bewegungsausmaß, als sie es sonst  in ihrem Stationsalltag tun würde (was sehr wichtig ist, damit die Gelenke nicht ihre Beweglichkeit verlieren). Sie strahlt. Vielleicht erkennt sie die Melodie.

Als nächstes setzen wir uns an den Tisch, wo ich Frau S. einen Ball zurolle. Sie ergreift und begutachtet ihn und rollt ihn mit Hilfestellung wieder zurück. Verschiedenartigste Bälle rollen so über den Tisch. Zumeist fängt sie diese gut auf und teilweise schafft sie es auch den jeweiligen Ball wieder zurückzurollen. Gefördert wird hierbei ihre Reaktion, Konzentration und als wesentlicher Punkt auch ihre Wahrnehmung – denn jeder Ball fühlt sich anders an.

Von außen mögen diese Tätigkeiten klein, vielleicht sogar nichtig erscheinen. Für Frau S. hingegen sind sie anspruchsvoll und wichtig. Denn sie schafft es mehrere Minuten eine Sache (den Ball) zu fokussieren, während sie sonst schnell abschweift. Dabei wird sie aktiv, bewegt sich zielgerichtet und in höherem Ausmaße als sonst. Zudem tritt sie in Interaktion und erhält über die Bälle und den gemeinsamen Tanz viele neue und altbekannte Wahrnehmungseindrücke.

Theresa Allweiss

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Es ist sehr spannend, was Sie von der Therapiestunde berichten. Unsere Hausärztin hatte vorgeschlagen, unseren Sohn bei einer Praxis für Ergotherapie vorzustellen. Ergotherapie für Kinder ist sicher ähnlich. Ich finde die Idee, mit einfachen Alltagsübungen das Gehirn zu aktivieren gut. Vielleicht wäre das auch etwas für meine Großmutter in Regensburg.

  2. Vielen Dank, dass Sie diesen Beitrag geteilt haben. Die Lektüre hat mich auf den neuesten Stand zur Ergotherapie bei Demenz gebracht. Ich denke, ich habe genug Informationen gefunden.

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