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Zu Beginn meiner Tätigkeit als Ergotherapeutin in einer Intensivpflegeeinrichtung suchte ich dringend nach einer professionellen, nonverbalen Technik, um mit schwerbetroffenen, bettlägerigen Patienten in Kontakt zu treten und eine therapeutische Beziehung aufzubauen. Kolleginnen rieten mir zu Respectare, einer Form ritualisierter, respektvoller Berührungen.

„Der Mensch ist unheilbar sozial.“

So lautet ein passender Ausspruch von Carl Rogers, welchen ich im Fortbildungsskript des Diakonischen Bildungszentrums des Evangelischen Diakonievereins Berlin-Zehlendorf e. V. gefunden habe. Auch wenn ein Mensch nicht mehr adäquat kommunizieren und reagieren kann, bleibt er ein soziales Wesen mit dem Bedürfnis nach Nähe und Gemeinschaft.

Das Wort Respectare setzt sich aus dem lateinischen „re“ (zurück) und „spectare“ (anschauen, betrachten) zusammen und bedeutet so viel wie achtsam sein, respektvoll sein. Es handelt sich hierbei nicht nur um eine Berührungstechnik, sondern um eine Haltung der Achtsamkeit, die den stressigen Berufsalltag durchdringt. Im Gegensatz zur klassischen Massage stehen Respekt, Achtsamkeit und Aufmerksamkeit für den Menschen der berührt wird, im Vordergrund.

Auch der „Berührende“ erfährt Entspannung und Zentrierung. Somit kann Respectare einen Beitrag zur Psychohygiene, bzw. Selbstfürsorge des Therapeuten leisten.

Die Berührungen können dem Patienten Gefühle wie Zuneigung, Geborgenheit, Fürsorge und die Einstellungen von Achtung und Wertschätzung vermitteln. Es entsteht eine intensive Beziehungsinteraktion. Vertrauen und Vertrautheit entwickeln sich.

Ritualisierte Berührungen werden an Extremitäten, Bauch, Rücken, Kopf und Gesicht durchgeführt.

Ritualisiert bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Ablauf immer gleich ist: am Anfang die Erlaubnis zur Durchführung einholen, die immer gleiche Abfolge der Berührungen einhalten, währenddessen den Körperkontakt durchgehend halten und am Ende Zeit zum Nachspüren lassen.

Das Berührungs- und Haltungskonzept Respectare wurde von Annette Berggötz, einer Kinderkrankenschwester, Lehrerin für Pflegeberufe und Trainerin für Berührungen mit Respekt, begründet und hat seinen Ursprung unter anderem in der Babymassage.

Einsatzmöglichkeiten finden sich bei Patienten jeder Altersgruppe, in Palliativ-care, Hospizarbeit, Geriatrie, Onkologie, oder Schmerztherapie.

Durch ausgleichende und beruhigende Streichbewegungen werden Wohlbefinden, Körperwahrnehmung, Körperbild, Entspannungsfähigkeit und Selbstwertgefühl gefördert.

Studien konnten die positive Wirkung von Berührung, der eine Erhöhung des Oxytocinspiegels zu Grunde liegt, belegen. Beispielsweise wird Angst reduziert, der Blutdruck gesenkt, Schlaf gefördert, die Immunfunktion verbessert, Schmerzen gemindert und die Aufmerksamkeit erhöht.

Der Einsatz ruhiger Musik und die Verwendung von Aromaölen unterstützen die Wirkung.

Literaturhinweise:

Annette Berggötz: Respectare- respektvolle Berührungen in Pflege und Therapie. Lernwelten 2008

Annette Berggötz, Ute Laves: Kinder respektvoll berühren. 2007 infantastic Hildesheim

Dr. Cem Ekmekcioglu, Anita Ericson: Der unberührte Mensch. 2011 Wien

Quelle:

Gabriele Kuhnt, Diakonisches Bildungszentrum des Evangelischen Diakonieverein Berlin-Zehlendorf e. V. , Seminarskript und persönliche Mitschriften

 

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